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Wie Söder die Weichen für eine Weiternutzung der Kernenergie stellen will

Bayern will auch nach dem vollzogenem Ausstieg aus der Atomkraft und dem Abschalten der letzten drei verbliebenen Meiler im April an der Erforschung und Nutzung der Kernenergie festhalten – und sogar „Taktgeber für die internationale Kernfusionsforschung“ werden. Das ist das Ziel des „Masterplans Mission Kernfusion“, den Ministerpräsident Markus Söder und Wissenschaftsminister Markus Blume (beide CSU) am Donnerstag in Garching bei München vorgestellt haben. Garching ist der Standort des ersten Forschungsreaktors in Deutschland, der inzwischen stillgelegt wurde, und des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik.

Die bayerische Regierung will damit unabhängiger von Energieimporten aus dem Ausland werden; Energie für die Haushalte und Unternehmen müssten billiger werden, heißt es in dem Plan. Zwischenziel ist der Bau eines sogenannten Demonstrationskraftwerks. Standorte dafür könnten Garching oder das Areal des zuletzt abgeschalteten Atomkraftwerks Isar 2 bei Landshut sein.

„Wir sehen die Chance, mit der Kernfusion eine schier unerschöpfliche Energiequelle nutzen zu können“, sagte Wissenschaftsminister Blume WELT. „Weltweit ist ein Wettrennen um die führende Position im Bereich dieser Technologie entstanden, und Bayern ist dabei.“ Der Freistaat sei mit seinen Forschungseinrichtungen und Start-ups technologisch hervorragend positioniert. „Das ist kein Traum von Jahrzehnten, sondern in greifbarer Nähe“, so Blume.

Naturschützer und die Grünen warnen jedoch davor, weiter auf Kernkraft und auch auf die Kernfusionstechnologie zu setzen. Im bayerischen Wahlkampf haben die Grünen des Freistaats – wie die Bundespartei – jede weitere Nutzung von Atomkraft nach dem Ausstieg als „gefährlich und teuer“ bezeichnet. Vorrang müsse die klimafreundliche Energiewende ohne Kernenergie haben. Die CSU setzt dagegen auf Atomkraft „als Brückentechnologie“ und als einen von mehreren Energielieferanten der Zukunft.

Die bayerische Landesregierung hat sich vor dem Hintergrund drohender Energieknappheit und hohen Preisen weitaus stärker gegen die Abschaltung der letzten Atommeiler gesträubt als die übrigen Landesregierungen. Zuletzt versuchte sie sogar, eine Änderung des Atomgesetzes zu erreichen, um Isar 2 in Regie des Landes weiterbetreiben zu können – allerdings vergeblich. Söder hat den Weiterbetrieb der Meiler zu einem Wahlkampfthema für die Landtagswahl am 8. Oktober gemacht.

Neben der CSU spricht sich im Bund auch die CDU mit Blick auf mögliche Engpässe für ein Wiederanfahren der AKW aus. Unterstützung bekommt die Union von der FDP. SPD und Grüne sind strikt dagegen und legen den Schwerpunkt voll auf den Ausbau von Wind- und Solarkraft.

Die bayerische Regierung will nun eine Technologie vorantreiben, mit der die entscheidenden Risiken bei der Nutzung der Atomkraft neutralisiert werden sollen: mittels Kernfusion. Bei der Kernspaltung, der Basis auch für die bisherigen deutschen Meiler, dienen wie bei der Kernfusion Atomkerne als Basis für die Energiegewinnung. Bei der Kernspaltung werden Atomkerne gespalten, es fällt radioaktiver Abfall an.

Bei der Kernfusion hingegen werden kleine Atomkerne bei extremen Temperaturen mithilfe von Lasern zu größeren verschmolzen – sie „fusionieren“. Dabei werden große Mengen Energie freigesetzt. Strahlender Müll entsteht kaum, neue Zwischen- und Endlager wären nicht nötig. Es besteht auch keine Gefahr eines nuklearen Unfalls mit Verstrahlung. Der Prozess der Kernfusion ist vergleichbar mit den Prozessen, die auf der Sonne ablaufen.

Bundesregierung eher zurückhaltend

US-Forschern war vor einigen Monaten dabei ein Durchbruch in der Grundlagenforschung in einer Anlage mit Lasern gelungen. Dennoch befindet sich die Entwicklung dieser Technologie immer noch im Anfangsstadium. Experten rechnen damit, dass es Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern könnte, bis Kernfusionsanlagen in den Massenbetrieb gehen und Strom liefern. Die Regierung Bayerns will die Weiterentwicklung nun antreiben und neue Studiengänge dafür einrichten. In einem ersten Schritt sollen sechs neue Lehrstühle an Universitäten des Freistaats entstehen und durch bis zu 20 Nachwuchsforschergruppen ergänzt werden.

Eine Expertenkommission soll ein Forschungs- und Infrastrukturprogramm ausarbeiten. Entstehen soll außerdem eine „Vernetzungs- und Austauschplattform“ zur Stärkung der Grundlagenforschung. In dieses Cluster sollen auch Industrie und Start-ups eingebunden werden. Um all das zu ermöglichen, will die Staatsregierung ein Förderprogramm auflegen, dass auch öffentlich-private Partnerschaften in den Blick nimmt.

Die Bayern wollen dabei keinen Alleingang – im Gegenteil, sie sehen den Bund in der Pflicht. „Wir fordern die Bundesregierung auf, die Kernfusion als nationale Aufgabe zu begreifen und Partner bei der Förderung und dem Ausbau dieser Technologie zu werden. Wir laden ein, gemeinsam einen starken nationalen Impuls zu setzen“, sagt Wissenschaftsminister Blume.

Die Bundesregierung ist jedoch zurückhaltend. Zwar bezeichnete Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Energiegewinnung mittels Kernfusion vor wenigen Wochen als „eine riesige Chance, dass wir alle unsere Energieprobleme lösen“ können. Ihr Ministerium hat eine neue Strategie für die Kernfusion vorgelegt und will dabei unter anderem in den kommenden fünf Jahren bis zu 90 Millionen Euro in Start-ups in diesem Bereich investieren. Allerdings haben sich SPD und Grüne klar auf Anti-Atomkraft-Kurs festgelegt. Jedes Abrücken davon würde in diesen Parteien, bei deren Anhängern und bei Umweltschützern als Schwächung des Ausbaus erneuerbarer Energien gesehen.

Bei der Umweltschutzorganisation BUND heißt es denn auch zur Kernfusion: „Ein Ruf nach grenzenloser Energie und damit grenzenlosem Energieverbrauch verbietet sich von vornherein. Es wird das Bild vermittelt, man müsse nur ein paar Jahre auf die Fusionsreaktoren warten und alles werde gut.“ Das verschwende Zeit im Kampf gegen den Klimawandel, die man nicht mehr habe.

Bayerns Wissenschaftsminister Blume kontert: Der Energiehunger moderner Gesellschaften wachse – und zwar weltweit. „Keine Frage: Wir müssen die erneuerbaren Energien ausbauen. Aber das wird nicht reichen, den erwarteten Bedarf aus sauberen Quellen zu decken, deshalb müssen wir weitere Technologien wie die Kernfusion nutzen.“

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