Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Hammelburg: Warum es sich für Michael Mence lohnt, der Demokratie zu vertrauen und sie aktiv mitzugestalten

Demokratie beruht auf Prinzipien wie Gewaltenteilung, Rechtstaatlichkeit und freiem Wahlrecht. Für die meisten Menschen in Deutschland ist es selbstverständlich, dass sie zum Beispiel frei wählen, sich ihren Beruf frei aussuchen und ihre Meinung frei äußern können. Doch das war nicht immer so. 

"Vor allem die Älteren wissen, dass diese Freiheit nicht selbstverständlich ist",  sagt Michael Mence (Hammelburg). Der 82-Jährige erinnert sich noch lebhaft an seine Kindheit und Jugend – eine Zeit, in der die Hoffnung auf ein Leben unter demokratischen Bedingungen für seine Familie lebensbestimmend war.

Die Freiheit in Neuseeland spüren

Mence wurde 1941 in Birmingham (England) geboren. Seine Mutter Sigrid war Deutsche und hatte 1936 den Engländer Michael Horace Mence in Stuttgart kennengelernt. Nach der Heirat zog das Paar nach England. Seine Mutter habe es als Ausländerin dort nicht leicht gehabt, weiß Mence.

Michael Mence aus Hanmelburg als Student in Neuseeland.
Foto: Privat Michael Mence | Michael Mence aus Hanmelburg als Student in Neuseeland.

Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs habe die Familie, infolge der deutschen Herkunft seiner Mutter, in England unter Beobachtung gestanden, erzählt der Hammelburger. Denn die Bomben der Deutschen hatten Birmingham getroffen, die Arbeitslosigkeit war groß und die Lebensmittel wurden rationiert.

Lesen Sie auch:

1948 emigrierte seine Eltern mit ihm und seiner Schwester nach Neuseeland. Der Grund war für Mence später klar: "Dort konnten wir in Freiheit leben." Das sei vor allem für seinen Vater, einen Freidenker und Humanisten, sehr wichtig gewesen.

Schon damals wurde in Neuseeland Integration - für Mence ein wichtiger Bestandteil der Demokratie - gelebt: Maori, Chinesen, Inder, Engländer – alle hatten das Recht, in Freiheit zu leben und zur Wahl zu gehen. "Man musste nicht befürchten, dass Stimmen verschwinden, wie das in Diktaturen der Fall ist."

"Es ist wichtig, dem anderen zuzuhören und sich um ein gutes gesellschaftliches Miteinander zu bemühen."

Michael Mence, früheres Mitglied im Kreistag

Denn das hält Mence für Grundpfeiler der Demokratie: Toleranz, die Achtung vor dem anderen, Gleichberechtigung, freie Wahlen und wenn die Justiz Einzelinteressen anhört und berücksichtigt.

Ausgleichende Fähigkeit im Gespräch wichtig

"Es ist wichtig, dem anderen zuzuhören und sich um ein gutes gesellschaftliches Miteinander zu bemühen." Die Demokratie sei derzeit in Gefahr, weil es politische Kräfte gibt, wie die AfD, die solche demokratischen Werte nicht leben, sagt Mence. Vieles werde heutzutage aggressiv besprochen. "Aber man kann ja man alles sagen in der Demokratie. Es kommt nur darauf an, wie man es sagt." Diese ausgleichende Fähigkeit im Gespräch sei heutzutage verloren gegangen.

Michael Mence zeigt seinen großen Reisekoffer, mit dem er in jungen Jahren auf Europareise war.
Foto: Isolde Krapf | Michael Mence zeigt seinen großen Reisekoffer, mit dem er in jungen Jahren auf Europareise war.

Nach Mences Ansicht hat nicht nur der demokratische Staat Pflichten gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Auch alle, die in der Demokratie leben, haben, seiner Ansicht nach, Pflichten gegenüber dem Staat und der Gesellschaft, damit ein demokratisches Miteinander im Alltag funktioniert.  "Man muss sich hilfsbereit zeigen, auf die Umwelt achten, Solidarität üben und Geduld haben, wenn sich etwas ändern soll."

Demokratie als Sonderfach in der Schule anbieten

Die Menschen sollten nicht einfach alles konsumieren, was man ihnen vorsetzt, ohne es zu hinterfragen, spielt Mence auf die sozialen Medien an. Demokratisches Verhalten muss man lernen, glaubt er. Man sollte es, seiner Ansicht nach, als Sonderfach in der Schule unterrichten.

Lesen Sie auch:

Und dann war da noch Mences Großmutter Anna Haag, die frühere Stuttgarter Politikerin, deren einst geheime Kriegstagebücher im März 2021 als Buch erschienen sind. Erst im Alter von 18 Jahren lernte Mence sie persönlich kennen, als er 1959 von Neuseeland aus zu einer einjährigen Reise nach Europa aufgebrochen war und zuerst mit seinem großen Schrankkoffer zur Großmutter nach Stuttgart reiste.

"Ich habe sie für ihren Mut und ihren Einsatz für andere bewundert"

Michael Mence über Anna Haag

Das Meiste über sie erfuhr er später: Dass ihr Mann während der Zeit des Nationalsozialismus wegen pazifistischer Äußerungen strafversetzt worden war und sie selbst wegen ihres Engagements für die 1933 verbotene "Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit" Publikationsverbot erhalten hatte.

Ungewöhnliche erste Begegnung mit der Großmutter

In 20 Tagebuch-Heften hatte seine Großmutter während der Nazi-Diktatur heimlich aufgeschrieben und reflektiert, was ganz gewöhnliche Deutsche schon während des Zweiten Weltkriegs über die Judenvernichtung und die Verbrechen des NS-Regimes wussten.

"Ich habe sie für ihren Mut und ihren Einsatz für andere bewundert", sagt Mence. "Was meine Großmutter zu erzählen hatte, was meine Eltern von der Zeit des Krieges berichteten und was ich selbst erlebte, hat mich geformt", so Mence weiter. "Daraus erwachsen sind unter anderem mein Interesse für Politik und für die Belange der Natur, aber auch das Engagement von mir und meiner Frau, die Erinnerung an die jüdischen Mitbürger im Landkreis Bad Kissingen wachzuhalten."

Lesen Sie auch:

Mence und seine Frau Cornelia zählten 1981 zu den Gründungsmitgliedern der Partei "Die Grünen/Alternatives Bürgerforum" im Landkreis und waren 1990 bis 1996 im Kreistag vertreten. 1990 kandidierte Mence zudem als Landratskandidat.