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Dolphins mit Offensiv-Feuerwerk: Größter NFL-Albtraum ist nicht zu stoppen

Die Miami Dolphins sind in dieser Saison noch unbesiegt und das große Gesprächsthema der NFL. Ihr Angriff ist konkurrenzlos, der Quarterback endlich verletzungsfrei. Und der Trainer lässt sogar absichtlich Punkte liegen. Wie weit kann das führen?

Sie sind derzeit die größten Entertainer auf der NFL-Showbühne und der Albtraum der gegnerischen Abwehrreihen. Sie sind Delfine, treten aber wie Haie auf - hungrig, gefährlich, erbarmungslos. Sie sind: die Miami Dolphins 2023. Ein Team, viel Offensiv-Power und viele Schlagzeilen.

"Die Miami Dolphins haben die Geschichtsbücher umgeschrieben", hieß es bei CBS Sports nach dem ebenso denkwürdigen wie . "The Athletic" schrieb von einem "Meisterwerk offensiver Vollendung." Und Yahoo fragte gar: "Wo fängt man überhaupt an, die Dolphins-Offensive zu stoppen? Eine Offensive, die die beste aller Zeiten der NFL werden könnte?" Nach Auflistung aller Fakten gab's die Antwort gleich dazu. "Eine gesunde Dolphins-Offensive ist nicht zu stoppen." Das klang schon nach Kapitulation.

Wer in den ersten drei Saisonwochen so viel wirbelt wie diese Dolphins, wer den Gegner so überrennt und somit auf Offensiv-Werte kommt, die seit den 50er- und 60er-Jahren kein NFL-Team mehr erreicht hat, der rückt natürlich automatisch in den Fokus von Fans und Fachpresse. Können diese Dolphins dieses Niveau, diese Offensiv-Power aufrechterhalten? Wie weit kann das Team in dieser Saison kommen? Hat es womöglich sogar eine Titelchance?

Dolphins brillieren mit bester Offensive

Ein Indiz dafür gibt es am Sonntag, wenn die Dolphins bei den Buffalo Bills gastieren. Es ist das Spitzenspiel dieses Wochenendes. Und es ist wegen Miami ein Spitzenspiel. Wer hätte das gedacht? Die Gastgeber stellen die zweitbeste Abwehr der Liga. Und die bekommt es mit dem besten Angriff zu tun. Die Dolphins führen die Liga im Pass-Spiel (im Schnitt 362Yards/Partie) und im Laufspiel (188,3 Yards/Partie) an.

Bills-Trainer Sean McDermott bezeichnet Miamis Angriff als "sehr explosiv". Mit den Wide Receivern Tyreek Hill und Jaylen Waddle sowie den Runningbacks Raheem Mostert und De'Von Achane haben die Dolphins ein Speed-Quartett zu bieten, das einzigartig in der Liga ist. Bedient werden die vier von Tua Tagovailoa. Der Quarterback, den die Dolphins 2020 an fünfter Stelle gedraftet hatten, ist endlich mal verletzungsfrei - und spielt bislang die beste Saison seiner Karriere.

Wer seine Pässe verhindern will, muss sich beeilen. Im Schnitt hat er den Football nur 2,34 Sekunden in der Hand. Kein Quarterback mit mindestens 40 Dropbacks wirft das Ei schneller als er. Zudem kann sich der Spielmacher auf seine Bodyguards in der O-Line verlassen. Tagovailoa wurde bislang nur einmal vom Gegner zu Boden gerissen.

Offensiv-Guru mit einem Hauch von Harry Potter

Der Mastermind der Offensive steht jedoch nicht auf dem Platz, sondern an der Seitenlinie - und versprüht mit seinem Aussehen einen Hauch von Harry Potter. Und Coach Mike McDaniel, laut Yahoo einer der "brillantesten Trainer der Liga" ist genauso trickreich wie die Film-Figur. Der 40-Jährige arbeitet zwar erst in seiner zweiten Saison als Headcoach, gilt jedoch bereits als Offensiv-Guru. Seine Spielzüge sind eine Melange aus Innovation und purer Athletik. Kreativ, vielseitig und immer für eine Überraschung gut.

McDaniel verzichtete am Rekordnachmittag gegen Denver sogar auf einen weiteren Rekord. Anstatt die Möglichkeit zu wahren, in der Schlussphase mit einem Field Goal die 83 Jahren alte Bestmarke der Chicago Bears von 73 Zählen einzustellen, gab er seinem Ersatz-Quarterback die Anweisung, niederzuknien und somit die letzten Sekunden aktionslos verstreichen zu lassen. McDaniel nannte es "Karma". Ihm sind drei entscheidende Punkte in einem Playoff-Spiel im Januar wichtiger, als drei Zähler bei einem Sieg mit 50 Punkten im September. Und, wer weiß, vielleicht werden sich die Football-Götter ja an diese Szene irgendwann erinnern.

Denn die Dolphins sind einer der Vereine, die schon seit geraumer Zeit weitaus mehr negative Erfahrungen gemacht haben, als positive. Sie sind so etwas wie der 1. FC Köln der NFL. Sie waren mal richtig gut, sie gewannen mal Titel (Meister 1973 und 1974) - aber das ist eben lange her. In Gesprächen über die Franchise aus Südflorida geht es oft um zwei Themen: the perfect season - und Dan Marino. Ja, 58 Jahre Vereinsgeschichte lassen sich tatsächlich auf eine perfekte Saison und einen herausragenden Spieler einkürzen.

Viele Dynastien, aber keine mit perfekter Saison

Am 14. Januar 1973 besiegten die Dolphins in Super Bowl VII die Washington Redskins 14:7. Es war der erste Meistertitel - aber es war vor allem NFL-Historie. Denn die von Don Shula trainierte Mannschaft gewann auch ihr 17. und letztes Saisonspiel - und ist bis heute die einzige, die in einer Spielzeit ohne Niederlage blieb.

Am Rekord dieser denkwürdigen Dolphins-Mannschaft wurden und werden seitdem alle herausragenden Teams gemessen. Die Pittsburgh Steelers beispielsweise, die vor allem dank ihrer legendären Defensive Line, dem sogenannten "Steel Curtain", zwischen 1975 und 1980 viermal den Super Bowl gewannen. Oder die von Quarterback-Star Joe Montana angeführten San Francisco 49ers der Achtziger, die ebenfalls vier Meisterschaften holten. Und natürlich die New England Patriots mit ihren sechs Titeln in 17 Jahren. Alles Dynastien - aber eben keine mit einer perfekten Saison.

Dan Marino: König ohne Krone

Auf die zwei Meisterschaften in den Siebzigern sollten, so hatten sie bei den Dolphins gehofft, in den Achtzigern und Neunzigern weitere Titel folgen. Denn Miami hatte Daniel Constantine Marino. Der Quarterback spielte 17 Jahre in der NFL - und er trug 17 Jahre lang das Dolphins-Trikot. Er war einer der herausragenden Spieler seiner Generation, wurde MVP, führte die Liga mehrere Jahre in diversen Offensiv-Statistiken an - und die Dolphins 1985 in den Super Bowl.

Marino gilt bis heute als einer der besten Spielmacher der NFL-Geschichte. Doch in der dieser Liga sind Super-Bowl-Siege die ultimative Maßeinheit, in der Karrieren gemessen werden. Und da steht hinter seinem Namen eine Null. Er ist ein König ohne Krone geblieben. Mit seinem Karriereende 1999 begann die Zeit, in der die Dolphins abrutschten, nur noch ein Team von vielen waren. Ein Playoff-Sieg, fünf Playoff-Niederlagen, 18 Jahre ohne Playoffs lautet die Bilanz seit dem Ende der Marino-Ära. In der "Sports Illustrated" war von "Zwei Jahrzehnten Enttäuschungen und Elend" zu lesen.

Ob all das bald endet, ist natürlich noch ungewiss. American Football ist ein Vollkontaktsport - und eine schwere Verletzung eines Leistungsträgers kann mitunter eine komplette Saison ruinieren. Aber diese Dolphins machen endlich Spaß. Sie reißen mit, begeistern. Und Amerika redet endlich mal wieder über sie.