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Die Stunde Null: MLP-Chef Schroeder-Wildberg: „Wir sehen den größten Zinsanstieg seit 40 Jahren“

Der langjährige Vorstandsvorsitzende des Finanzdienstleisters MLP über die Unlust der Deutschen an der Altersvorsorge und die Verantwortung seiner eigenen Branche

An den Märkten ist eine Menge los. Die Immobilienpreise gehen runter, die Zinsen hoch, die Börsen sind volatil. Ist das eine gute Lage, um in die private Altersvorsorge zu investieren?
UWE SCHROEDER-WILDBERG: Wir haben es in Teilen mit einer Normalisierung zu tun, die längst überfällig war. Wir sind aus einem Jahrzehnt von Null- oder gar Negativzinsen herausgekommen, einem im Grunde schizophrenen Zustand. Allerdings beobachten wir einen sehr raschen Umschwung, den größten Zinsanstieg seit über 40 Jahren. Insofern findet eine gewisse Repositionierung statt, was man auch am Immobiliensektor merkt. Diese Lage ist sicher nicht gerade hilfreich, um diejenigen an die Kapitalmärkte zu bekommen, die bis dato dort noch nicht waren. Aber das bleibt eine wichtige Aufgabe.

Warum?
Weil die Kapitalmärkte ein wichtiger Faktor sind, um die nötigen Ersparnisse für den Ruhestand zu bilden.

Entwickelt sich denn in Deutschland ein Verständnis dafür, dass privat fürs Alter vorgesorgt werden sollte? Kommt da eine neue Anlegergeneration, die, auch durch neue Apps, an den Markt herangeführt wird?
Man kann sicherlich feststellen, dass die Generation Z, wenn man sie so nennen will, einen etwas natürlicheren Zugang zu den Kapitalmärkten hat. Da helfen sicher auch die Onlineangebote. Aber von einem Durchbruch, bei dem es so normal wäre, über Altersvorsorge nachzudenken wie zum Zahnarzt zu gehen, sind wir sehr weit entfernt. Es fällt vielen Menschen sehr schwer, im Alter von 25 Jahren darüber nachzudenken, was mit 65 oder 70 sein wird. Das wird gerne aufgeschoben. Und da sind wir als Berater nach wie vor gefordert.

Welche Verantwortung hat denn Ihre Branche für diese Situation? Da ist ja in der Vergangenheit auch mit Drückerkolonnen gearbeitet worden, da gab es unseriöse Angebote. Hat das vielleicht zu einem schlechten Image und zu Verunsicherung geführt?
Sicherlich sind in der Finanzdienstleistungsbranche aus heutiger Sicht auch Dinge passiert, die nicht gut waren. Wichtig ist eine Professionalisierung der Branche. Es erfordert eine umfassende Qualifikation, um in diesem Sinne erfolgreich für den Kunden arbeiten zu können. Und eine ständige Weiterbildung. Das Berufsbild muss weiter geformt werden, damit es im gesamten Markt Beratungsgespräche gibt, die die Kunden zu guten Entscheidungen befähigen. Bei uns legen wir höchsten Wert darauf.

In dem Geschäft spielen Provisionen eine wichtige Rolle, ein Umstand, der schon lange kritisiert wird. Es gibt die Vermutung, dass der Berater nicht das Interesse an einer bestmöglichen Beratung hat, sondern daran, eine Provision vom Produktanbieter gezahlt zu bekommen. In der EU wird nun ein Provisionsverbot diskutiert. Was halten Sie davon?
Wir haben deutlich gemacht, dass wir strikt dagegen sind. Aber ich möchte zunächst einmal sagen, dass wir einer der ersten im deutschen Markt waren, die im Bereich Vermögensmanagement von einer Provision auf eine honorarähnliche Form umgestellt haben. Die Kunden zahlen da in Prozenten auf die Assets, etwaige Kickbacks von Fondsanbietern gehen zurück an die Kunden. Das haben wir vor über zehn Jahren eingeführt. Und es zeigt erst einmal, dass wir gar nicht dogmatisch sind.

Aber?
Entscheidend ist deutlich zu machen, dass Provisionen per se nichts Schlechtes sind. Die Abschlusskosten sind aufgrund der Regulierung inzwischen auch sehr transparent. Die zentrale Frage ist, warum Honorarmodelle im Bereich der Altersvorsorge und der Berufsunfähigkeit nicht wirklich marktrelevant geworden sind. Das liegt einfach an der Bereitschaft der Kunden. In dem Bereich ziehen sie Provisionen als Vergütungsform eindeutig vor. Folglich sind viele auch nicht bereit, für den Sparprozess die entsprechenden Honorare zu zahlen. Ein Provisionsverbot hätte also die Konsequenz, dass in diesem Bereich keine Beratung mehr stattfinden kann. Dessen muss sich der Regulierer bewusst sein.

Bleibt nicht trotzdem das Anreizproblem erhalten?
Noch einmal: Die Abschlusskosten sind transparent, da stehen wir auch voll dahinter. Und wir sollten die Bürger generell nicht unterschätzen. Das ist ohnehin ein Thema, das wir in Deutschland zunehmend haben. Wir meinen ständig, jeden vor allem schützen zu müssen. Wenn etwas transparent ist, kann der Kunde entscheiden, ob er es so will oder nicht. Honorarbasis aber funktioniert in diesem bestimmten Markt nicht. Diese Realität muss man begreifen.

Die aufkommenden Online-Angebote erwecken ja oft den Eindruck, dass man sich seine private Altersvorsorge eigentlich ganz gut selbst zusammenstellen kann. Warum ist da überhaupt noch eine Beratung nötig?
Da ist ein Blick auf die Faktenlage wichtig. Es ist nicht so, dass die Finanz-Apps bisher eine massive Rolle spielen, und alle plötzlich alles selbst machen. Wichtig für das Knowhow und die Glaubwürdigkeit bei Finanz-Entscheidungen sind das familiäre Umfeld, Freunde und die Beratung. Das hat sich gar nicht so markant verändert. Das Internet liefert viele Informationen, hinterlässt einen manchmal aber auch ratlos. Beratung spielt da, wenn sie gut gemacht ist, nach wie vor eine sehr wichtige Rolle.

Das heißt, es fehlt immer noch stark an Wissen?
Man kann mal den Test im eigenen Bekanntenkreis machen: Wer weiß eigentlich, wie hoch seine Alterseinkünfte zum Renteneintritt mit 65 oder 67 Jahren sein werden? Wenn Sie diese Frage stellen, werden Sie bemerken, dass fast niemand dies gut einschätzen kann. Nach den großen Rentenreformen in Deutschland bildet die staatliche Rente nur noch einen Teil des gesamten Ruhestandseinkommens ab. Da ist die Frage nach den Alterseinkünften also essenziell, genauso wichtig wie der Gesundheitszustand. Und diese Frage kann fast niemand beantworten.

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