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Debatte um Zuwanderung: Warum sind Ukrainer, Syrer und Afghanen Tabu?

Debatte um Zuwanderung Warum sind Ukrainer, Syrer und Afghanen Tabu?

Wer die Migrationszahlen senken will, darf nicht wahllos bolzen wie Merz, sondern muss sich bei diesen drei Herkunftsländern ehrlich machen.

Es zählt zu den sonderbaren Eigenarten der aktuellen Zuwanderungs- und Überforderungsdebatte, dass mehr als eine Million ukrainische Kriegsflüchtlinge wie außer Konkurrenz laufen. Als dürften sie nicht mit Fragen von kommunaler Überforderung oder staatlicher Überlastung in Verbindung gebracht werden. Ebenso denkwürdig ist, wie lange die deutsche Aufmerksamkeit in Sachen Asylsuchende fast ausschließlich nach Süden gerichtet war, nach Lampedusa und auf die Boote voller Menschen aus Afrika. Dabei kommen seit Monaten wesentlich mehr Asylsuchende über die ostdeutsche Grenze, die erst sehr spät in den Fokus einer orientierungslosen Innenministerin Nancy Faeser rückten. Syrer und Afghanen stellten in der ersten acht Monaten 2023 knapp die Hälfte aller insgesamt gut 200.000, ganz Afrika weniger als 25.000 Migranten. Unter den zehn wichtigsten Herkunftsländern sind unter anderem Türkei, Irak, Iran, Georgien und Russland. Die von dort Flüchtenden kommen selten über das Mittelmeer und Süditalien. Sie kommen inzwischen über Osteuropa.

Wenn die erwarteten 300.000 Asylsuchenden dieses Jahr zu viel sind, wie Städte und Kommunen glaubhaft machen, dann auch, weil mehr als eine Million Ukrainer die Dienstleistungen und Systeme weiterhin beanspruchen: Kita, Schule, Unterbringung, Ärzte und in wachsendem Maße auch die Sozialkassen (Bürgergeld). Erst aus der Addition von Ukrainern und Asylsuchenden wird die Überforderung, die an der Gesellschaft zerrt - und Friedrich Merz beim Versuch, sie in Worte zu kleiden, katastrophal entgleisen ließ.

Und ohne irgendjemandem zu nahe treten oder seine Fluchtgründe verharmlosen zu wollen: Kann es so weiter gehen, dass nahezu alle Ukrainer, Syrer und Afghanen, die drei größten Einzelgruppen, automatisch Bleiberecht und Unterhalt bekommen, weil sie aus Staaten stammen, die als Kriegsgebiet eingestuft wurden? Weitgehend im Verborgenen bleibt, nach welchen Verfahren die jeweilige Lage dort von Seiten der Bundesregierung eingeschätzt und mit Blick auf die hiesigen Sorgen bewertet wird - und auch neu bewertet wird.

Ukrainer arbeiten seltener als in Polen

Ukrainische Flüchtlinge mussten von Anfang an keine Asyl-Verfahren durchlaufen, es wurde aus damals guten Gründen sofort Schutz und Zugang zum Arbeitsmarkt und auch den Sozialleistungen gewährt. Namhafte Bundesminister, die sich bisher nur noch nicht öffentlich äußern wollen, halten das inzwischen allerdings für einen Fehler. Nach ihren Zahlen haben ukrainische Flüchtlinge in Deutschland seltener eine Arbeit aufgenommen als in anderen europäischen Fluchtstaaten, wie Polen oder Niederlande. In Polen könnte es daran liegen, dass die staatliche Unterstützung nach bestimmter Zeit gekürzt wird. In Deutschland wird über so etwas nicht einmal diskutiert.

Ebenso wenig wird diskutiert, wie auf Sicht mit syrischen Antragstellern zu verfahren ist. Ihre Zahl ist 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 80 Prozent gestiegen. Die allermeisten (85 Prozent) bekommen Bleiberecht, drei Viertel von diesen aber lediglich unter "subsidiärem Schutz" vor den Gefahren von innerstaatlichem Bürgerkrieg. Man muss jedoch zur Kenntnis nehmen, dass Diktator Assad diesen grauenhaften Bürgerkrieg - zur Schande des Westens - "gewonnen" hat und fast aller Widerstand gegen Assad niedergeschlagen ist. Außerdem scheinen nicht wenige der neuen syrischen Flüchtlinge aus türkischen Auffanglagern aufgebrochen zu sein, in denen sie die letzten Jahre verbracht haben. Sind sie in diesem Fall in Deutschland trotzdem als Bürgerkriegsflüchtlinge schutzbedürftig? Gern wüsste man, was Bundeskanzler Olaf Scholz darüber denkt oder die Außenministerin, Annalena Baerbock. Doch es wird geschwiegen. Und das ist falsch.

Dänemark macht noch eine andere Unterscheidung: Seit Februar 2023 wird afghanischen Frauen ohne Umstände Asyl gewährt, bei Männern wird anders verfahren. Zudem wird in Dänemark erwogen, abgelehnte syrische Asylsuchende in bestimmte Landesteile Syriens abzuschieben. Beide Fragen sind in der deutschen Debatte nicht ernsthaft überlegt worden. Warum eigentlich?

Kurzum: Es hat keinen Sinn und es fördert den Frust, bei der Diskussion von Überlastung und Begrenzung ausgerechnet die drei wichtigsten Herkunftsländer systematisch außer Acht zu lassen. Die Lage dort wie die Einschätzung hier können sich ändern, das wäre nicht automatisch unmoralisch. In einem Streit, der an die Grundfesten zu gehen droht, sollte die Politiker die Grenzen des Anstands sehr sorgsam achten - aber keine trägen Tabus pflegen, an denen die Bürger längst massiv zweifeln.