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Entsetzen bei Klimaschützern: Sunak erlaubt Ausbeutung von Nordsee-Ölfeld

Entsetzen bei KlimaschützernSunak erlaubt Ausbeutung von Nordsee-Ölfeld

Grossbritannien sagt Ja zu umstrittenen Öl- und Gasprojekten in einem grossen Meeresgebiet nahe den Shetlandinseln. UNO, Politik und Wissenschaft reagieren scharf.

Auch das Rosebank-Ölfeld soll bald ausgebeutet werden können: Ölplattform im Clair-Ridge-Ölfeld in der Nordsee, rund 70 Kilometer vor der schottischen Küste.

Auch das Rosebank-Ölfeld soll bald ausgebeutet werden können: Ölplattform im Clair-Ridge-Ölfeld in der Nordsee, rund 70 Kilometer vor der schottischen Küste.

Foto: AFP

Wenige Tage vor Beginn des Tory-Parteitags in Grossbritannien hat Regierungschef Rishi Sunak grünes Licht für die Ausbeutung riesiger, bislang unangetasteter Öl- und Gasfelder in der Nordsee gegeben. Die Entscheidung, die zur Freisetzung von 200 Millionen Tonnen zusätzlichem Kohlendioxid in die Atmosphäre führen könnte, hat empörte Proteste grüner Politiker und Klima-Aktivisten im ganzen Vereinigten Königreich ausgelöst.

Das Rosebank-Ölfeld im Nordwesten der schottischen Shetlandinseln soll über 500 Millionen Barrel Öl und entsprechende Mengen an Gas enthalten und den Briten auf Jahrzehnte hin fossile Brennstoffe liefern.

Mit ihm, argumentierte Sunaks Regierung, wäre Grossbritannien langfristig mit heimischem Brennstoff versorgt und in Sachen Energie von «feindseligen Mächten» und «Tyrannen wie Putin» unabhängig. Die Entscheidung sichere zudem Arbeitsplätze und unterstütze das Wachstum der britischen Ökonomie.

Wie Experten bestätigt hätten, werde Grossbritannien auch im Jahr 2050 noch gewisse Mengen an Öl und Gas brauchen, erklärte Energieministerin Claire Coutinho. Bekanntermassen sei ihr Land «führend in der Welt bei der Reduktion von Kohlendioxid», meinte die Ministerin. Wichtig sei aber, dass man «nicht nur ehrgeizig», sondern auch «pragmatisch» sei in der Politik.

Proteste von UNO, Wissenschaftlern und Politikern

Premier Sunak beteuerte, London halte unvermindert fest am Ziel der Neutralisierung des CO2-Ausstosses durch sein Land bis zum Jahr 2050. Die neue Ausbeutung von Öl sei «durchaus verträglich» mit diesem Ziel. Das hat ihm allerdings weithin zornige Reaktionen eingebracht.

Schon vor der Entscheidung der Sunak-Regierung hatten das Klimawandel-Forum der UNO (IPCC) und die Welt-Energiebehörde IEA erklärt, neue Öl- und Gasprojekte müssten unverzüglich gestoppt werden, wenn man den weiteren Anstieg der Temperatur auf der Erde begrenzen wolle. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hatte Sunak dieses Jahr gedrängt, keine neuen Lizenzen zu vergeben aus diesem Grund.

Das sei «der grösste Akt an Umweltzerstörung, den ich je erlebt habe», sagte eine Abgeordnete.

Tausende von Wissenschaftlern, über 200 Verbände und Parlamentarier aller Parteien in Westminster hatten sich dieser Forderung angeschlossen – ohne Erfolg. Die Sprecherin der englischen Grünen, die Abgeordnete Caroline Lucas, klagte, dass das Rosebank-Projekt für ebenso viel CO2-Ausstoss sorgen würde wie die Ölproduktion «von 28 ärmeren Nationen zusammengenommen».

Das grüne Licht für Rosebank sei «der grösste Akt an Umweltzerstörung, den ich je erlebt habe», sagte Lucas. Es mache alle Klimaziele zunichte, die London mitunterzeichnet habe. Sunak mache sich geradezu schuldig an einem «Klima-Verbrechen».

Gleichzeitig sei es Unfug, die Entscheidung mit mehr nationaler Unabhängigkeit bei der Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Energie zu begründen. In Wirklichkeit exportiere Grossbritannien bis zu 90 Prozent seiner Öl- und Gasvorkommen und kaufe dann, was es brauche, zu den jeweils gültigen Marktpreisen zurück.

«Langfristentscheide für eine bessere Zukunft«: Premier Rishi Sunak bei einem Auftritt letzte Woche in London.

«Langfristentscheide für eine bessere Zukunft«: Premier Rishi Sunak bei einem Auftritt letzte Woche in London.

Foto: Keystone

Zugleich, warnten Klimaschützer, verzögere die Entscheidung der Sunak-Regierung den Übergang zu erneuerbaren Energiequellen und bremse die nötige Umstellung der Wirtschaft ab, was schwere Nachteile für Grossbritannien haben werde.

Schon vorige Woche hatte sich Sunak scharfe Kritik – auch aus Industriekreisen – zugezogen, als er beschloss, geplante Massnahmen gegen Klimawandel, wie den Übergang zu Elektroautos und Wärmepumpen, aufzuschieben und auf andere Massnahmen ganz zu verzichten. Auch konservative Politiker waren schockiert von dieser Kehrtwende in der Londoner Klimapolitik.

«Rishi Sunak sind die Leute weniger wichtig als die Profite der Ölkonzerne.»

Greenpeace

Im Rosebank-Fall hat auch Unmut ausgelöst, dass die Betreiber des Unternehmens, der norwegische Konzern Equinor und sein UK-Juniorpartner Ithaca Energy, über drei Milliarden Pfund aus der britischen Staatskasse erhalten sollen, was einen Gutteil der nötigen Investitionen für das Projekt abdecken dürfte.

Stattdessen, finden Kritiker, hätte die Regierung lieber Not leidenden Mitbürgern helfen sollen, in diesem Winter ihre noch immer rekordhohen Gas- und Stromrechnungen zu bezahlen, und mehr investieren in erneuerbare Energie.

«Damit hat Rishi Sunak endgültig bewiesen, dass ihm die Leute weniger wichtig sind als die Profite der Ölkonzerne», meinte ein Greenpeace-Sprecher. «Wir wissen doch, dass fossile Brennstoffe schrecklich für unsere Energiesicherheit, für die Lebenshaltungskosten und fürs Klima sind.»

Labour-Partei im Dilemma

In Schottland, das keinen Einfluss auf die Entscheidung vor seinen Küsten hatte, kam es inzwischen zu spontanen Demonstrationen. «Totale Verachtung für unsere Umwelt und für künftige Generationen» – das warfen die schottischen Grünen, die die Regierung in Edinburgh mittragen, Sunak vor.

In einer Klemme findet sich derweil die Labour-Partei, die fest damit rechnet, im nächsten Jahr in London die Regierung zu übernehmen. Parteichef Sir Keir Starmer hat mehrfach erklärt, dass seine Partei grundsätzlich gegen neue Öl- und Gasgewinnung in der Nordsee sei und keine neuen Lizenzen vergeben würde.

Eine Starmer-Regierung will aber bereits eingegangene Verträge respektieren, nun also auch nicht mehr an Rosebank rühren. In der Partei selbst gibt es erheblichen Widerstand gegen diese Position.

Peter Nonnenmacher berichtet als Korrespondent aus London.Mehr Infos

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