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«Ein Tag im Leben» unserer Rätselgöttin: «Die feministisch korrekte Schreibweise ist eine Herausforderung, die ich gerne annehme»

«Ein Tag im Leben» unserer Rätselgöttin«Die feministisch korrekte Schreibweise ist eine Herausforderung, die ich gerne annehme»

Trudy Müller-Bosshard denkt sich seit 30 Jahren Kreuzworträtsel fürs «Magazin» aus. Hier gibt sie einen seltenen Einblick in ihre Arbeit.

Foto: Bruno Ziauddin

Aufmerksamkeit ist mir unangenehm. Auch möchte ich möglichst keine Kommentare von Leserinnen und Lesern hören. Sonst habe ich eine Schere im Kopf. Ich gebe dir ein Beispiel: Ernst Mühlemann, der verstorbene FDP-Politiker, hat mein Rätsel immer mit einem Kollegen gemacht. Irgendwann hat er den Wunsch angemeldet, mich kennenzulernen. Daraus ergab sich eine Freundschaft. Einmal sagte er: Bitte komm mir nicht wieder mit einem Rockgitarristen! Danach dachte ich jedes Mal: Das kann ich nicht machen, sonst weiss es der Ernst wieder nicht.

Weil ich von zu Hause arbeite, sind Strukturen für mich ganz wichtig. Ich stehe um sieben auf, frühstücke, lese den Tagi. Danach richte ich mich her, wie wenn ich ins Büro ginge. Gearbeitet wird bis Viertel vor zwölf. Vor dem Zmittag gehe ich online, weil ich in diesen furchtbaren Zeiten einfach nicht abschalten kann.

Je älter ich werde, desto grösser wird mein Empörungspotenzial. Ich frage mich: Was kann ich im Kleinen tun? Als Trump gewählt wurde, nahm ich mir vor, jeden Tag mit einem Menschen zu reden, den ich nicht kenne. Das klappt wunderbar, die Leute gehen jeweils mit einem breiten Lächeln davon. Danach sind sie eine halbe Stunde lang immun gegen populistischen Mist.

Der erste Schritt beim Rätsel ist, das Gitter zu erstellen, also die gesuchten Wörter waagrecht und senkrecht einzupassen. Ich habe immer ein paar Wörter, die ich gerne unterbringen würde, aber es entwickelt sich schnell eine Eigendynamik, sodass plötzlich nur noch abseitige französische Flüsse reinpassen. Dann helfe ich den Leuten mit Hinweisen, etwa einem Anagramm. Ich will nicht einfach nach Dingen fragen, die kein Schwein kennt.

Das allererste Wort, waagrecht, ist immer sechzehn Buchstaben breit. Ich finde lange Wörter lässiger. Ohnehin ist die Liebe zur Sprache das Wichtigste. Wenn das Gitter voll ist, fange ich an, die einzelnen Wörter zu betexten. Und am Schluss brauchts ein Lösungswort, in das man einen Doppelsinn lesen kann. Zum Beispiel Schmierfinken: Für mich sind das die Reifen an einem Polizeiauto.

Das Gitter ist der kleinere Teil der Arbeit. Beim Definieren – also die kryptischen Formulierungen, die Clues –, da schaffe ich nicht mehr als zehn bis zwölf Wörter am Tag.

Nach dem Zmittag telefoniere ich mit meiner besten Freundin. Das ist während der Pandemie zum Ritual geworden. Und spätestens um sechs ist Schluss mit der Arbeit. Danach schaue ich auf BBC One «Pointless», das ist eine Quizsendung, die total gut ist.

Bevor ich Rätselfabrikantin geworden bin, war ich Journalistin. Mein erstes Rätsel habe ich für die Zeitschrift «Aha!» gemacht, weil die Anbieter aus Deutschland uns für ein überrissenes Honorar Kreuzworträtsel von mieser Qualität anboten. Als die Zeitschrift eingestellt wurde, ging meine Assistentin zum Tagimagi und sagte dem Chefredaktor, René Bortolani, ein Rätsel wär doch noch gut. So hat das angefangen. Vor ein paar Jahren stellten wir auf vierzehntäglich um, worüber ich froh bin, ich bin jetzt fünfundsiebzig. Aber ans Aufhören habe ich noch nie einen Gedanken verschwendet.

Die feministisch korrekte Schreibweise ist eine Herausforderung, die ich gerne annehme. Was mich stört an der Diskussion: dass sie so wahnsinnig militant ist. Man sollte mehr Toleranz walten lassen, damit man den Glarners dieser Welt nicht ständig neues Futter gibt. Das gilt auch für die #MeToo-Debatte: Reflexartig und unhinterfragt die Position der Frau einzunehmen, ist kontraproduktiv.

Nach dem Znacht schaue ich fern und stricke dazu. Oder ich treffe meine Tochter. Sie wohnt in der Nähe, dadurch war ich während der Pandemie nie einsam – ein Riesenprivileg. In dieser Zeit wurde ich zum Vogelfreak. Ich beobachte die Vögel immer vom Balkon aus, Spazieren hasse ich wie die Pest.

Kann ich jetzt eine Zigi rauchen gehen?

Protokoll: Bruno Ziauddin

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